Im Rahmen eines Strafverfahrens taucht immer wieder der Begriff „Tatverdacht“ bzw. der des Tatverdächtigen auf und das in unterschiedlichen Zusammenhängen und Verfahrensstadien. Sowohl bei der Einleitung des sogenannten Ermittlungsverfahrens, bei der Frage nach der Anordnung von Untersuchungshaft, als auch bei der Erhebung der öffentlichen Anklage durch die Staatsanwaltschaft kommt der Begriff ins Spiel. Dabei fällt vor allem eines auf: Tatverdacht ist nicht gleich Tatverdacht. Hier gibt es scheinbar verschiedene Verdachtsstufen.
Diese wollen wir Ihnen in unserem Ratgeber erläutern. Zudem erfahren Sie, in welcher Verfahrenssituation welcher Verdachtsgrad gefordert ist. Lesen Sie hier mehr zu diesen und weiteren Fragen rund um das Thema.
FAQ: Tatverdacht
Als Tatverdacht wird in der Strafverfolgung der Umstand bezeichnet, in dem die zuständigen Behörden davon ausgehen, dass eine Person eine Straftat begangen hat. Dabei sind unter anderem Indizien, Beweise und Schlussfolgerungen von Bedeutung.
Das deutsche Strafprozessrecht unterscheidet zwischen folgenden Verdachtsgraden: Anfangsverdacht, hinreichender Tatverdacht, dringender Tatverdacht und richterliche Überzeugung.
Wird Ihnen eine Straftat vorgeworfen bzw. kommen Sie für die Ermittler als potenzieller Täter infrage, kann es durchaus sinnvoll sein, sich an einen Anwalt zu wenden.
Inhaltsverzeichnis
Weiterführende Ratgeber zum Tatverdacht
Welche Verdachtsstufen kennt das Strafprozessrecht?
Zunächst einmal wollen wir Ihnen aufzeigen, welche verschiedenen Verdachtsstufen das Strafprozessrecht in Deutschland überhaupt kennt. Zum einen gibt es den sogenannten Anfangsverdacht. Umgangssprachlich wird dieser auch als einfacher Tatverdacht bezeichnet. Welche Definition dem Anfangsverdacht zugrunde liegt, erläutern wir im folgenden Abschnitt. Des Weiteren kennt die deutsche Rechtsordnung die Begriffe „hinreichender“ und „dringender Tatverdacht“ sowie schließlich den der richterlichen Überzeugung.
Auch diese Begrifflichkeiten erklären wir im Folgenden näher. Unter den genannten Verdachtsgraden bestehen Unterschiede in der Gewichtung. Der Anfangsverdacht ist dabei die schwächste Form, der hinreichende Tatverdacht ist demgegenüber eine stärkere Variante und der dringende Tatverdacht eine abermals höher gelagerte. Die richterliche Überzeugung stellt schließlich die stärkste Form des Tatverdachts dar.
Was meint der Begriff „Anfangsverdacht“?
Der Anfangsverdacht kommt ins Spiel, wenn es um die Frage nach der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens geht. Erforderlich ist dafür, dass „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ dafür vorliegen, dass eine Person eine Straftat begangen haben könnte. Dies ergibt sich aus der Vorschrift des § 152 Absatz 2 Strafprozessordnung (kurz: StPO). Die Staatsanwaltschaft ist im Falle eines vorliegenden Anfangsverdachtes dazu verpflichtet, entsprechende Ermittlungen aufzunehmen. Der dem zugrunde liegende Grundsatz ist der sogenannte Legalitätsgrundsatz.
Ein Anfangsverdacht kann sich beispielsweise daraus ergeben, dass die Polizei oder die Staatanwaltschaft aufgrund einer Strafanzeige Kenntnis von einem bestimmten Sachverhalt erlangt.
Definition hinreichender Tatverdacht: Was ist gemeint?
Vom Anfangsverdacht abzugrenzen ist unter anderem der hinreichende Tatverdacht. Ob ein solcher vorliegt oder nicht, gilt es erst zu prüfen, wenn ein Ermittlungsverfahren bereits läuft.
Beim hinreichenden Tatverdacht handelt es sich um eine Verdichtung des Verdachtsgrades. Er liegt laut Definition dann vor, wenn bei der vorläufigen Bewertung der Beweislage eine Verurteilung zu einem späteren Zeitpunkt als wahrscheinlich zu betrachten ist.
Wenn die Situation sich beispielsweise derart gestaltet, dass Aussage gegen Aussage vorliegt, ist mit einer Verurteilung eher nicht zu rechnen. Gibt es indes zwei Zeugen, Fingerabdrücke und ähnliche Beweismittel, die beispielsweise einen Diebstahl oder eine gefährliche Körperverletzung beweisen können, ist der hinreichende Tatverdacht zu bejahren.
Der hinreichende Tatverdacht ist am Ende der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft von Relevanz in Bezug auf die Frage danach, ob diese nun öffentliche Klage erhebt oder nicht.
Eine Rolle spielt der hinreichende Tatverdacht ferner im sogenannten Zwischenverfahren. In diesem Verfahrensabschnitt liegt der Fall dem Richter vor, der darüber entscheidet, ob er die Hauptverhandlung eröffnet oder nicht. Ist eine Person unter hinreichendem Tatverdacht, ergeht ein Eröffnungsbeschluss, liegt er indes nicht vor, wird das Verfahren eingestellt.
Dringender Tatverdacht: Definition gemäß Strafprozessrecht
In diesem Abschnitt wollen wir Ihnen erläutern, welche Definition dem Begriff „dringender Tatverdacht“ zugrunde liegt. Wie bereits erwähnt, handelt es sich hierbei im Vergleich zum hinreichenden Tatverdacht um einen höheren Verdachtsgrad.
Diese Form von Tatverdacht ist beim Haftbefehl von Relevanz. Stellt sich die Frage nach einer vorläufigen Festnahme im Sinne des § 127 StPO, nach einer einstweiligen Unterbringung gemäß § 126a StPO oder nach der Anordnung einer Untersuchungshaft (§ 112 StPO), bedarf es jeweils des hinreichenden Tatverdachtes.
Er ist dann zu bejahen, wenn entsprechend dem aktuell vorliegenden Ermittlungsstand eine hohe Wahrscheinlichkeit dahingehend besteht, dass der Betroffene der Täter (oder Teilnehmer) einer Straftat ist.
Neben dem dringenden Tatverdacht erfordert die Anordnung einer Untersuchungshaft zudem weitere Voraussetzungen. Namentlich muss ein sogenannter Haftgrund vorliegen. Ein Beispiel für einen solchen ist die Fluchtgefahr. Besteht also Grund zur Annahme, der dringend Tatverdächtige werde sich den behördlichen Ermittlungsmaßnahmen entziehen, wird Untersuchungshaft angeordnet.
Was bedeutet „richterliche Überzeugung“?
Die stärkste Form von Tatverdacht ist schließlich die richterliche Überzeugung. Sie liegt vor, wenn das Gericht am Ende der Hauptverhandlung zu dem Ergebnis kommt, dass keine vernünftigen Zweifel mehr daran bestehen, dass der Angeklagte schuldig ist.
Ist dies der Fall, kommt es zu einer gerichtlichen Verurteilung, ansonsten zu einem Freispruch.
Was tun, wenn gegen Sie ein Tatverdacht besteht?
Sofern vonseiten der Polizei und Staatsanwaltschaft wegen einer Straftat gegen Sie ermittelt wird, kann es sich durchaus lohnen, bereits im Rahmen des Ermittlungsverfahrens, die Hilfe durch einen Rechtsanwalt in Anspruch zu nehmen. Er behält den Blick für das Wesentliche, weiß, worauf es besonders zu achten gilt und kann aus einer frühzeitigen Akteneinsicht bereits wertvolle Rückschlüsse im Hinblick auf Ihre bestmögliche Verteidigungsstrategie ziehen.
Nur zu oft reden sich Beschuldigte oder Angeklagte im Rahmen von Vernehmungen um Kopf und Kragen. Was vielen dabei nicht bewusst ist: Auch wenn ein Anfangsverdacht oder ein hinreichender Tatverdacht besteht, so ist es die Aufgabe der Behörden, Ihnen Ihre Schuld nachzuweisen. Nicht Sie müssen umgekehrt Ihre Unschuld beweisen.
Hinterlassen Sie einen Kommentar: