“Ein Mensch gilt solange als unschuldig, bis seine Schuld erwiesen ist.” – Die Unschuldsvermutung, festgehalten in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen (UN), ist in Deutschland und weltweit hinlänglich bekannt. Eng an diese gebunden ist zum Beispiel auch der Ausspruch in dubio pro reo (“Im Zweifel für den Angeklagten.”).
Diesem menschenrechtlichen Grundsatz folgend dürfte es eigentlich nicht möglich sein, dass die eine oder andere Person, die einer Straftat zunächst nur bezichtigt wird, schon vor dem eigentlichen Urteil und Nachweis der Tat im Gefängnis einsitzen muss.
Aber die sogenannte Untersuchungshaft ist in Deutschland sogar gesetzlich verankert: in der Strafprozessordnung (StPO).
Doch wie sind U-Haft und Unschuldsvermutung miteinander vereinbar? Wann kommt man in Deutschland in Untersuchungshaft? Und wie lange darf ein Beschuldigter ohne Verurteilung in Haft genommen werden? Diese und weitere Fragen beantworten wir im folgenden Strafrechtsratgeber.
FAQ: Untersuchungshaft
Bei der Untersuchungshaft wird ein Beschuldigter in einer Justizvollzugsanstalt untergebracht, um sicherzustellen, dass dieser bei der Hauptverhandlung anwesend und eine Strafverfolgung möglich ist.
Voraussetzung für die Anordnung einer Untersuchungshaft bei einer Straftat sind ein dringender Tatverdacht sowie eine Flucht-, Verdunklungs- oder Wiederholungsgefahr.
In der Regel ist die Untersuchungshaft auf sechs Monate begrenzt, wobei ein Oberlandesgericht im Einzelfall auch die Fortdauer anordnen kann. Die Dauer der Untersuchungshaft wird nach der Verurteilung auf die Geld- oder Freiheitsstrafe angerechnet.
Inhaltsverzeichnis
Weitere Infos zur U-Haft und den Verdachtsstufen im Strafverfahren
Was bedeutet Untersuchungshaft?
U-Haft ohne Haftgrund? So ganz einfach ist es im Strafrecht sicherlich nicht. Grundsätzlich handelt es sich bei der Untersuchungshaft um eine Maßnahme, die im Rahmen einer strafrechtlichen Ermittlung gegen einen Beschuldigten ausgesprochen werden darf. Während der einer Straftat Beschuldigte in der Untersuchungshaft sitzt, können Polizei und Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ausweiten und intensivieren.
Dabei genügt es jedoch nicht, dass eine Person einfach nur einer Straftat bezichtigt und aufgrund dessen festgenommen wird. Nach § 112 StPO ist die Anordnung einer Untersuchungshaft an strikte Vorgaben gebunden.
Bevor ein Beschuldigter in Untersuchungshaft kommt, müssen Polizei und Staatsanwaltschaft einen begründeten Antrag bei dem zuständigen Haftrichter einreichen. Erst wenn dieser den Haftgründen zustimmt und einen Haftbefehl erteilt, kann die Untersuchungshaft erfolgen.
Wann droht Untersuchungshaft? Die Gründe
Es ist den Behörden nicht möglich, auf die reine Beschuldigung hin die Anordnung von Untersuchungshaft für den Betroffenen zu beantragen. Es müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein, bevor die Anordnung überhaupt in Betracht kommt.
Wichtigster Punkt: Gegen den Beschuldigten muss ein dringender Tatverdacht bestehen (§ 112 Absatz 1 Satz 1 StPO). Das bedeutet, dass ein einfacher Anfangsverdacht nicht genügt, sondern auf Grundlage der bisherigen Ermittlung bereits abzusehen sein muss, dass die Verurteilung wegen der zur Last gelegten Straftat wahrscheinlich ist.
Darüber hinaus muss aber auch ein Haftgrund belegbar sein. Dieser kann je nach Einzelfall unterschiedlich bewertet werden. Grundlegend nennt § 112 Absatz 2 StPO jedoch folgende dringliche Ursachen als Haftgrund:
- der Tatverdächtige ist auf der Flucht oder
- es besteht erhebliche Fluchtgefahr oder
- es besteht Verdunkelungsgefahr (durch Beweismittelvernichtung, Zeugenbeeinflussung u.a.) oder
- es besteht der dringende Verdacht, dass der Beschuldigte sich etwa eines sexuellen Missbrauchs oder einer Vergewaltigung schuldig machte (§ 112a Absatz 1 Nr. 1 StGB) und Wiederholungsgefahr bzw. erneute erhebliche Straffälligkeit droht oder
- der Beschuldigte machte sich wiederholt und fortgesetzt einer schwerwiegenden Straftat schuldig, die die Rechtsordnung erheblich beeinträchtigt, und es besteht Wiederholungsgefahr bzw. ist eine erneute Straffälligkeit wahrscheinlich (§ 112a Absatz 1 Nr. 2 StGB).
Das zuständige Gericht kann bei jedem dieser Gründe Untersuchungshaft anordnen. Es bleibt allerdings der Bewertung von dem vorsitzendem Richter im Verfahren überlassen, ob die Aussetzung von dem Haftbefehl unter bestimmten Auflagen an den Verdächtigen zulässig ist.
Achtung: Es gibt Tatbestände, die die Untersuchungshaft auch dann zulässig machen, wenn keiner der genannten Haftgründe anzuerkennen ist. Hierzu zählen nach § 112 Absatz 3 StPO die folgenden Straftatbestände:
- Mord (§ 211 Strafgesetzbuch – StGB)
- Totschlag (§ 212 StGB)
- schwere Körperverletzung (§ 226 StGB)
- besonders schwere Brandstiftung(§§ 306b, 306c StGB)
- Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion (§ 308 StGB)
- Bildung einer terroristischen Vereinigung (§§ 128a, 129b StGB)
- Völkermord (§ 6 Absatz 1 Nr. 1 Völkerstrafgesetzbuch – VStGB)
Ist der Beschuldigte damit dringend tatverdächtig, sich z. B. eines Mordes, Totschlags oder aber einer schweren Körperverletzung schuldig gemacht zu haben, kann das Gericht die Untersuchungshaft auch unabhängig von den sonst geforderten Haftgründen anordnen.
Aussetzung der Untersuchungshaft – Kaution, Hausarrest und Meldepflicht
“Gegen Kaution aus der Haft entlassen” – diese Bezeichnung ist durch Kriminalfilme und Nachrichten aus den USA und anderen Ländern weithin bekannt. Und tatsächlich gibt es auch hierzulande eine “Kaution”, die vor Untersuchungshaft bewahren kann – diese läuft jedoch unter der offiziellen Bezeichnung “Sicherheitsleistung”.
Neben dieser Sicherheitsleistung können auch andere Auflagen die Aussetzung der U-Haft begründen. Hierzu zählen (§ 116 StPO):
- Meldeauflage
- Auflage, am Wohnort zu verbleiben
- Hausarrest und Verlassen der Wohnung nur unter Aufsicht
Die Aussetzung ist jedoch nicht in jedem Fall möglich, sondern richtet sich vor allem nach dem jeweiligen Einzelfall. Erhöhte Flucht- oder Verdunkelungsgefahr oder die Sorge, dass der Beschuldigte wieder straffällig wird, können die Aussetzung der Untersuchungshaft verhindern.
Wie lange dauert eine Untersuchungshaft?
Nach der Verurteilung oder nach Ablauf der Frist wird der erteilte Haftbefehl aufgehoben und gegebenenfalls ein neuer erstellt. Wird der Beschuldigte in dieser Zeit zu einer Freiheitsstrafe verurteilt für den zugrunde liegenden Straftatbestand, kann bis dahin abgeleistete Haft auf die verhängte Strafe angerechnet werden.
Im Ausnahmefall kann die Dauer der Untersuchungshaft jedoch auch über die Sechsmonatsgrenze hinaus angeordnet werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die Komplexität des Sachverhaltes verhinderte, dass innerhalb der gesetzten Frist die Ermittlung endgültig abgeschlossen werden konnte, oder ein anderer schwerwiegender Grund der Entlassung stand dem entgegen (§ 121 StPO).
Das zuständige Oberlandesgericht kann die Dauer der Untersuchungshaft auch über ein Jahr hinaus ausweiten, wenn es ihm im Einzelfall zulässig erscheint. Ausschlaggebend ist dabei vor allem die mögliche Haftstrafe, die für den zugrunde liegenden Straftatbestand vermeintlich verhängt werden könnte. Bei erwarteten Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten oder Geldstrafen ist die Verlängerung eher unwahrscheinlich.
Verschärfte Regeln in der Untersuchungshaft – Besuch, Post und Mitbringsel
Bei der U-Haft handelt es sich um eine Form des verschärften Strafvollzugs, auch wenn dieser zunächst nur befristet möglich ist. Das bedeutet für alle Betroffenen engere Grenzen innerhalb der Gefängnismauern. Vor allem dann, wenn der U-Haft Flucht-, Wiederholungs- oder Verdunkelungsgefahr zugrunde liegen, müssen die Betroffenen mit Beschränkungen rechnen.
Dem Inhaftierten können auf Basis dieser Haftgründe zum Beispiel folgende Haftbeschränkungen auferlegt werden:
- Besuch in der Untersuchungshaft: Gespräche vor Ort sowie Anrufe können nur auf erteilte Erlaubnis hin gestattet werden. Das bedeutet, dass zunächst ein Antrag auf Besuchserlaubnis während der Untersuchungshaft gestellt werden muss. Über diesen entscheiden dann in aller Regel Haftrichter oder Staatsanwaltschaft. Zumeist wird nahen Angehörigen die Besuchserlaubnis erteilt.
- Überwachung: Der Beschuldigte sowie dessen Angehörige und Freunde müssen damit rechnen, dass sämtliche Besuche, Anrufe, Brief- und Paketverkehr durch das Personal der Justizvollzugsanstalt und die Staatsanwaltschaft überwacht werden. Über diese Anordnung wird der inhaftierte Beschuldigte rechtzeitig aufgeklärt.
- Übergabe von Gegenständen: Wollen Angehörige dem Inhaftierten beim Besuch etwas übergeben, bedarf auch dies der Erlaubnis und vorhergehenden Prüfung. Ausgeschlossen von der Übergabe sind hierbei in aller Regel Bedarfsartikel, Zeitungen, Lebens- und Genussmittel (ggf. nur in kleinen Mengen), Bücher und Ähnliches.
- mehrere inhaftierte Beschuldigte: Befinden sich wegen einer gemeinschaftlichen Tat mehrere Tatverdächtige in Haft, werden diese voneinander abgetrennt, sodass jeder die Untersuchungshaft in seiner Zelle absitzen muss. So sollen Absprachen unter den Beteiligten verhindert werden.
- Einzelhaft: Im Zweifel kann der Richter auch anordnen, dass der Kontakt zu anderen Mithäftlingen gänzlich ausgeschlossen, zumindest aber stark eingeschränkt wird.
Was müssen Sie beim Besuch in der Untersuchungshaft beachten?
Wurde Ihrem Antrag stattgegeben, können Sie den Beschuldigten in der Untersuchungshaft besuchen. Die Besuchserlaubnis ist jedoch auch für den Besucher mit teils strengen Auflagen und Beschränkungen verbunden:
- Sie müssen beim Besuch folgende Dokumente im Original vorlegen können: die erteilte Besuchserlaubnis, Ihren gültigen Reisepass bzw. Personalausweis.
- Minderjährige Kinder dürfen nur mit Erlaubnis und nur in Begleitung eines Erwachsenen einen Besuch abstatten.
- Die Besuchszeit ist in aller Regel auf 30 Minuten begrenzt und findet unter Aufsicht statt.
Vorgeschrieben ist für die Besuchsdauer zumeist die Kommunikation in deutscher Sprache, um geheime Absprachen zu unterbinden. - Meist wird in der Untersuchungshaft nur alle ein bis zwei Wochen Besuch zugelassen.
- Bei einem Verstoß kann der Besuch sofort abgebrochen werden. Die Erteilung einer erneuten Besuchserlaubnis ist hiernach eher unwahrscheinlich.
- Für die Dauer des Besuchs müssen Sie Mobilfunkgeräte und andere Gegenstände abgeben.
- Tiere dürfen Sie nicht in die Untersuchungshaft mitnehmen.
Nigel T sagt
25. December 2020 at 11:09
25.12.2020
Warum sind die Besuchszeiten zu gering?
In unseren Augen ist unser Sohn völlig unschuldig in dieses abscheulichen Anzeige.
Mehr Kontakt wurde gegen seinen Stress etwas helfen.
Ich hoffe sehr, dass wir unsere beantragte Dauerbesuchslaubnis sehr bald bekommen.
Wir haben seit dem 15.12.220 absolut keinen Kontakt mit unserem Sohn.
Aber wir wünsche all in die JVA Mitarbeiter ein Frohe Weihnachten.