Im September 2018 ereignet sich auf einem Supermarkt-Parkplatz eine Szene wie aus einem Gangsterfilm:
Ein Mann bedroht den Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma mit einer Kalaschnikow und nimmt ihm einen fast 90.000 Euro schweren Geldkoffer und seinen Revolver ab. Ein Komplize steht mit den Fluchtwagen bereit – das Autokennzeichen ist gefälscht. Später stecken die beiden Täter den Wagen in Brand.
Nun stehen die beiden Männer vor Gericht – der Vorwurf lautet: besonders schwerer Raub in Tateinheit mit Brandstiftung, Verstoß gegen das Waffengesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz und Urkundenfälschung. Aber was bedeutet „in Tateinheit“ in diesem Zusammenhang? In diesem Ratgeber gehen wir der Frage auf den Grund.
Inhaltsverzeichnis
FAQ: Tateinheit
Das heißt, dass ein Täter mit einer Handlung „mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals“ verletzt. Dabei ist der Begriff der Handlung etwas anders zu verstehen als im allgemeinen Sprachgebrauch. Näheres zur Handlungseinheit lesen Sie an dieser Stelle.
Bei einer Tatmehrheit nimmt der Täter verschiedene selbstständige Handlungen vor und verletzt dadurch mehrere Strafgesetze. Ein einfaches Beispiel finden Sie in diesem Abschnitt.
Diese Unterscheidung spielt eine sehr wichtige Rolle bei der Strafzumessung. Sie wirkt sich maßgeblich auf die Höhe der Strafe aus.
Wann besteht Tateinheit?
Nicht alle Straftaten laufen so spektakulär ab wie der oben geschilderte Fall. Dass der Täter dabei aber verschiedene Straftatbestände verwirklicht, ist keine Seltenheit. Begeht ein Täter mehrere Straftaten, müssen sich Strafgericht, Staatsanwaltschaft und auch die Strafverteidigung mit der Frage beschäftigen, in welchem Verhältnis die Straftaten zueinander stehen. Das ist wichtig für die Strafzumessung – also für die Höhe der jeweiligen Strafe.
Würde das Strafgericht alle Strafen addieren, die sich aus den verwirklichten Straftatbeständen ergeben, so überstiege das Strafmaß die Schuld des Täters. Deshalb legt das Strafgesetzbuch in den §§ 52 ff. StGB genaue Regeln für den Fall fest, dass mehrere Rechtsfolgen (Strafen) aufeinandertreffen:
- Tateinheit (§ 52 StGB): Ein- und dieselbe Handlung (Handlungseinheit) „verletzt mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals“.
- Tatmehrheit (§ 53 StGB): Der Täter verletzt mit mehreren selbstständigen Handlungen mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals.
Im obigen Beispiel begehen die Räuber gleich fünf Straftaten innerhalb kürzester Zeit:
- besonders schwerer Raub durch den Raubüberfall unter Verwendung einer Schusswaffe
- Brandstiftung durch das Inbrandsetzen des Fluchtwagens
- Verstoß gegen das Waffengesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz in Bezug auf die Kalaschnikow
- Urkundenfälschung in Form des gefälschten Autokennzeichens
Die Täter haben diese Delikte in Tateinheit, also mit einer Handlung begangen bzw. in einer natürlichen Handlungseinheit, wie Juristen das nennen. Für den besonders schweren Raub unter Verwendung einer Waffe sieht das Gesetz die härteste Strafe vor – mindestens fünf Jahre Freiheitsstrafe. Deshalb bewegt sich der Strafrahmen in diesem Bereich. Das Strafgericht wird also nicht für jeden verwirklichten Straftatbestand eine gesonderte Strafe festsetzen und dann alles zusammenrechnen.
Abgrenzung: Wann Tateinheit und wann Tatmehrheit
Anders als bei der Tateinheit verhält es sich bei Tatmehrheit. Sie liegt vor, wenn beispielsweise ein Täter am Freitag eine Kneipenschlägerei anzettelt und jemanden verprügelt, am Samstag in einer Tankstelle klaut und sonntags seinen Nachbarn mit dem Messer bedroht. Hier erwartet den Täter für jedes Delikt eine gesonderte Strafe.
Wenn die Staatsanwaltschaft alle drei Taten gleichzeitig zur Anklage bringt, muss das Strafgericht eine Gesamtstrafe festlegen. Dabei erhöht es die schwerste Einzelstrafe so, dass die Gesamtstrafe immer noch geringer ausfällt als die Summe der Einzelstrafen.
Begriff der natürlichen Handlungseinheit
Damit die Richter Tateinheit bzw. Tatmehrheit feststellen und den Strafrahmen richtig ermittelt können, müssen sie zuerst klären, ob eine Handlungseinheit oder eine Handlungsmehrheit vorliegt. Denn für eine Tateinheit regelt § 52 Abs. 1 StGB:
„Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.“
Juristen definieren den Begriff einer Handlung bzw. einer Handlungseinheit etwas anders als der allgemeine Sprachgebrauch. Danach liegt auch dann eine Handlungseinheit vor, wenn mehrere gleichartige Tätigkeiten …
- auf einem einheitlichen willentlichen Entschluss basieren und
- sie den unmittelbar nacheinander den gleichen Straftatbestand verwirklichen oder ihn wiederholen.
Liegt eine solche Handlungseinheit vor, so besteht Tateinheit. Auch in unserem ersten Beispiel zum Raubüberfall eines Geldtransporters ist das der Fall: Hier hat der Täter gegen das Waffengesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen, weil er die Kalaschnikow beim Raub einsetzen wollte. Auch die Brandstiftung erfolgte im engen Zusammenhang mit dem Raub, weil durch das Inbrandsetzen des Fluchtwagens ein Tatwerkzeug beseitigt werden sollte.
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