Wer sich dafür entscheidet, sich ein Tattoo stechen zu lassen, hat meist eine genaue Vorstellung von dem Motiv. Der nächste Schritt ist, sich ein geeignetes Studio zu suchen, in dem die Farbe unter die Haut gebracht werden soll. Und auch wenn Tattoo-Freunde vorab sicherstellen, dass in dem Studio hygienisch und zuverlässig gearbeitet wird, kann es immer vorkommen, dass sie mit dem Endergebnis nicht zufrieden sind. Denn schließlich gibt es in Deutschland weder eine einheitlich geregelte Ausbildung zum Tätowierer noch Zertifikate oder andere Nachweise, mit denen diese sich ausweisen können.
Dann stellt sich schnell die Frage, ob für schlecht gestochene Tattoos beispielsweise Schmerzensgeld verlangt werden kann. Reicht es als Begründung aus, dass das Bild schlicht nicht meinen Vorstellungen entspricht? Wann gilt ein Tattoo wirklich als schlecht gestochen? Und kann es sich dabei tatsächlich um Körperverletzung handeln? Wir klären auf!
Inhaltsverzeichnis
Alles Kunst? Nein, die Qualität eines Tattoos kann objektiv bewertet werden!
Eines vorab: Vermeintlich schlecht gestochene Tattoos als Körperverletzung deklarieren zu wollen, nur weil einem das Motiv plötzlich nicht mehr gefällt, funktioniert in der Regel nicht. Dass Sie sich darüber im Klaren sein sollten, dass die Tätowierung über viele Jahre auf Ihrem Körper verbleibt und Motive daher mit Bedacht ausgewählt werden sollten, muss wohl nicht betont werden.
Wenn ein Tattoo allerdings in der Tat nicht sauber gestochen wurde, tut das dem Kunden nicht nur bei dem Termin selbst weh, sondern oft noch lange Zeit danach – mindestens seelisch, wenn nicht sogar körperlich in Form einer Laserbehandlung oder eines Cover-Ups. Tatsächlich lässt sich die (schlechte) Qualität eines Tattoos anhand fester Anhaltspunkte bewerten. Dazu gehören unter anderem Folgende:
- Buchstaben sind in unterschiedlichen Größen gestochen
- Bei Schriftzügen ist der Zeilenabstand nicht einheitlich
- Linien sind unterschiedlich breit
- Verwackelte Linienführung
- Buchstaben sind zu eng gestochen, sodass sie unleserlich werden
- Verlaufene Farben (zu tief gestochen)
- Vernarben des Motivs
- Es wurden andere Farben als vereinbart oder auf der Skizze abgebildet verwendet
Sie sehen also: Schlecht gestochene Tattoos lassen sich nicht einfach mit der Kunstfreiheit begründen. Denn Tätowierungen müssen gewissen Anforderungen gerecht werden, damit der Werkvertrag zwischen Tätowierer und Kunden als erfüllt gelten kann.
Daneben sei erwähnt, dass auch von Seiten des Kunden Tattoo-Pfusch begangen werden kann, nämlich wenn dieser das Kunstwerk zu viel oder zu wenig pflegt.
Tattoo falsch gestochen: Anspruch auf Schadensersatz?
Einerseits könnte Kunden vorgeworfen werden, eine Einwilligung in die Körperverletzung abgegeben zu haben, wenn sie sich über schlecht gestochene Tattoos beschweren. Aber andererseits gehen diese davon aus, das Werk in einer bestimmten Qualität zu erhalten.
Ein etwaiger Anspruch auf Schmerzensgeld für ein verpfuschtes Tattoo soll an einem Gerichtsurteil aus 2017 (Az.: 132 C 17280/16) verdeutlicht werden. In besagtem Fall klagte eine Frau gegen ihre Tätowiererin, weil diese das Tattoo nicht in der gewünschten Weise auf die Haut der Kundin gebracht hatte. Die Tätowiererin wurde dazu verurteilt, die Kosten des Tattoos zu erstatten sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 1000 Euro zu zahlen. Außerdem hatte sie die Rechtsanwaltskosten ihrer Kundin sowie die Verfahrenskosten zu tragen.
Für die Richter war es laut diesem Urteil übrigens nicht von Belang, ob sich die Kundin vorab über das Können der Tätowiererin informiert hatte.
Sie holten sich die Meinung eines Sachverständigen ein, der deutlich aufzeigte: Die Tätowiererin hatte den geschlossenen Werkvertrag nach § 631 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) über eine Dienstleistung (hier Tattoo) nicht mit Erfolg ausgeführt (hier ein sauber gestochenes Tattoo).
Anzeige wegen Körperverletzung: Ein Tattoo mit Mängeln kann diese begründen
In dem Urteil über schlecht gestochene Tattoos heißt es wörtlich, die Tätowiererin
„hat die Klägerin an ihrer körperlichen Unversehrtheit verletzt, indem sie das Tattoo mangelhaft erstellt hat.“
Und weiter:
„Derjenige, der sich einer solchen Prozedur [einer Tätowierung] unterzieht, willigt zwar in die Körperverletzung ein; die Einwilligung ist dabei aber darauf bezogen, dass die Behandlung mangelfrei und nach den Regeln der Kunst erbracht wird“
Auf Grund des Sachverständigengutachtens wurde das hier verhandelte Tattoo als verpfuscht eingestuft, da es nicht der Beschaffenheit ähnlicher Werke entspricht. In dem Gutachten wird unter anderem auf kleine Ungenauigkeiten verwiesen, die in dem tätowierten Schriftzug auftauchen. Unterschiedliche Abstände und Größen der Buchstaben tragen dazu bei, dass es sich hierbei laut Ansicht des Gerichts um einen Sachmangel handelt. Verwackelte und unterschiedlich dicke Linien dürften bei einer ordentlich ausgeführten Tätowierung ebenso wenig auftauchen.
Nun lassen sich vermeintlich schlecht gestochene Tattoos unter Umständen auf zu viel oder zu wenig Pflege des Kunden zurückführen. Das Gericht ging in dem vorliegenden Fall allerdings nicht davon aus:
„Die entsprechenden Mängel sind angesichts der deutlichen Angaben des Sachverständigen auch nicht durch die mangelhafte Pflege der Klägerin begründet, sondern allein durch die Beklagte.“
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass schlecht gestochene Tattoos unter Umständen tatsächlich eine Strafanzeige wegen Körperverletzung nach § 223 Strafgesetzbuch (StGB) rechtfertigen können.
FAQ: Schlecht gestochene Tattoos
Das kommt darauf an, ob Ihnen das Motiv plötzlich einfach nicht mehr gefällt oder dieses tatsächlich eine schlechte Qualität aufweist. Woran Sie eine misslungene Tätowierung festmachen können, lesen Sie hier.
Auch das hängt immer vom Einzelfall ab. Anhand dieses Beispiels zeigen wir auf, wie eine Kundin erfolgreich Schmerzensgeld gegen ihre Tätowiererin durchgesetzt hat.
Auch dieser Fall kann eintreten. Tätowierte sollten immer die Pflegehinweise ihres Tätowierers beachten. In den meisten Fällen kennt sich dieser am besten damit aus.
Karl H sagt
28. December 2020 at 19:27
Meine Schwester hat sich in ihrer Jugend gemeinsam mit ihrer Freundin an Handgelenk selbst ein Tattoo gestochen. Es war das klassische Unendlichkeitszeichen, welches aber krumm und schief geworden ist. Erst jetzt hat sie ein Cover up machen lassen und ist wieder zufrieden. Mir war nicht bewusst, dass es für die schlechte Qualität auch richtige Kriterien gibt, da ich das immer als zu subjektiv empfunden habe. Bei meiner Schwester war die Farbe auch sehr verlaufen, jetzt weiß ich, dass sie deutlich zu tief gestochen hatte.