FAQ: Durchsuchungsbeschluss laut StPO
Nein, für eine Wohnungsdurchsuchung besteht grundsätzlich ein sogenannter Richtervorbehalt. Das heißt, es ist immer ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss erforderlich. Lediglich in dringenden Fällen, bei Gefahr im Verzug, darf die Staatsanwaltschaft oder die Steuerfahndung die Durchsuchung anordnen. Die Voraussetzungen für einen solchen nichtrichterlichen Durchsuchungsbefehl sind allerdings sehr streng, wie Sie an dieser Stelle nachlesen können.
Eine Wohnungsdurchsuchung setzt laut § 102 StPO zunächst voraus, dass ein konkreter Anfangsverdacht besteht. Außerdem muss die Möglichkeit bestehen, den Täter oder Beweismittel zu finden. Hier erfahren Sie mehr.
Nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hat ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss eine Gültigkeit von einem halben Jahr (BVerfG, Az.: 2 BvR 1992/92). Mehr erfahren Sie in diesem Abschnitt.
In der Regel können Sie sich erst nachträglich gegen eine Durchsuchung wehren. Gegen die Durchsuchung selbst bzw. gegen die Beamten sollten Sie keinen Widerstand leisten. Bleiben Sie höflich und machen zu keine Angaben zum Tatvorwurf. Kontaktieren Sie stattdessen so schnell wie möglich einen Rechtsanwalt. Lassen Sie sich außerdem eine Kopie von der Durchsuchungsanordnung aushändigen. So kann Ihr Anwalt schneller mögliche Rechtsmittel gegen den Durchsuchungsbeschluss prüfen.
Inhaltsverzeichnis
Rechtmäßiger Durchsuchungsbeschluss – Voraussetzungen
Eine Durchsuchung beim Beschuldigten setzt nach § 102 StPO zunächst zweierlei voraus:
- Es muss bereits ein konkreter Anfangsverdacht bestehen. Das heißt: Den Ermittlungsbehörden liegen tatsächliche Anhaltspunkt dafür vor, dass der Beschuldigte eine Straftat begangen hat. Bloße Vermutungen reichen hierfür allerdings nicht aus.
- Darüber hinaus muss die Möglichkeit bestehen, dass die Polizei bei der Durchsuchung Beweismittel oder den Täter findet. Die Durchsuchung darf jedoch nicht dazu dienen, überhaupt erst nach Verdachtsmomenten zu suchen.
Durchsuchungsbeschluss und Durchführung der Durchsuchung müssen immer auch verhältnismäßig sein. Das heißt, sie müssen in einem angemessenen Verhältnis zur Stärke des Tatverdachts und zur Schwere der Tat stehen: Geht es “nur” um eine einfache Körperverletzung oder um Mord? Besteht bereits dringender Tatverdacht oder “nur” ein Anfangsverdacht?
Darüber hinaus schreibt § 105 StPO genau vor, wie die Ermittlungsbehörden bei einer Durchsuchung vorgehen müssen. Sie benötigen hierfür zuallererst einen richterliche Durchsuchungsanordnung. Eine Wohnungs- bzw. Hausdurchsuchung ohne diesen Durchsuchungsbeschluss ist in der Regel rechtswidrig.
Was steht in einem Durchsuchungsbeschluss?
Weil eine Durchsuchung sehr stark in die Grundrechte des Beschuldigten eingreift, stellt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sehr hohe Anforderungen an den Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses. Wichtig sind dabei vor allem die folgenden Punkte:
- Schriftform: Eine mündliche Durchsuchungsanordnung reicht in aller Regel nicht aus. Der Strafrichter muss diese Anordnung schriftlich abfassen und unterschreiben.
- Tatvorwurf: Im Durchsuchungsbefehl ist die Straftat anzugeben, die den Anlass zur Wohnungsdurchsuchung gibt. Neben dem gesetzlichen Straftatbestand ist auch der konkrete Sachverhalt zu beschreiben. Hierfür reicht bereits ein bloßer Anfangsverdacht, bloße Vermutungen rechtfertigen hingegen keinen Durchsuchungsbeschluss.
- Ziel und Zweck der Durchsuchung: Aus dem Durchsuchungsbeschluss müssen Ziel und Zweck der Durchsuchung hervorgehen. Dient sie der Ergreifung des Beschuldigten oder suchen die Ermittlungsbehörden nach Beweismitteln?
- Durchsuchungsgegenstand: Die zu durchsuchenden Räumen – vor allem die „anderen Räume“ im Sinne des § 102 StPO – sind in der Durchsuchungsanordnung konkret zu bezeichnen. Geht es dabei um Garagen oder andere Nebenräume oder um Arbeits- und Betriebsräume?
- Gesuchte Beweismittel: Die Art und der vorgestellte Inhalt der gesuchten Beweismittel sind so genau wie möglich anzugeben, um die Durchsuchung rechtsstaatlich zu beschränken. Anderenfalls käme eine schier unüberschaubare Menge an Gegenständen als Beweismittel in Betracht.
- Beschlagnahmebeschluss: In der Praxis wird der Durchsuchungsbeschluss oft mit einem Beschlagnahmebeschluss verbunden, wobei die zu beschlagnahmenden Gegenstände genau zu bezeichnen sind.
Mündlicher Durchsuchungsbeschluss bei Gefahr im Verzug – die absolute Ausnahme
Ein nichtrichterlicher Durchsuchungsbefehl kommt nur in absoluten Ausnahmefällen in Betracht, wenn Gefahr im Verzug ist:
- Einen solchen Durchsuchungsbeschluss darf die Staatsanwaltschaft oder die Steuerfahndung anordnen.
- Eine bestimmte Form ist hierfür nicht vorgeschrieben, sodass auch ein mündlicher Durchsuchungsbeschluss oder -befehl ausreicht.
- Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung dürfen eine Durchsuchung nur bei Gefahr in Verzug anordnen, also nur dann, wenn das Einholen einer richterlichen Anordnung den Durchsuchungszweck gefährden würde.
Der Begriff der Gefahr im Verzug ist sehr eng gefasst, sodass die Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft nur in Ausnahmefällen greift, um einen Beweismittelverlust (oder die Flucht des Täters) zu verhindern. Dabei muss die Gefahr im Verzug immer mit konkreten Tatsachen begründet werden, bloße Vermutungen reichen dafür nicht aus.
Außerdem dürfen die Strafverfolgungsbehörden diese Dringlichkeit nicht selbst herbeiführen und beispielsweise so lange mit einem Antrag beim Ermittlungsrichter warten, bis ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss tatsächlich zu spät käme. Grob vereinfacht ausgedrückt: Eigene Schlampereien und Trödeleien begründen keine Dringlichkeit.
Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss
In der Regel kann sich der Beschuldigte erst im Nachhinein gegen die Durchsuchung wehren. Wer Widerstand leistet oder versucht, Unterlagen und Gegenstände zu verstecken oder zu vernichten, handelt sich nur weiteren Ärger ein, denn sowohl der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte als auch Verdunkelungshandlungen sind strafbar.
Deshalb ist es sinnvoller, die Beamten bei der Durchsuchung gewähren zu lassen und höflich zu bleiben, auch wenn es schwerfällt. Allerdings können Sie als Beschuldigter so viele Informationen sammeln wie nur möglich, um sich später gegebenenfalls gegen den Durchsuchungsbeschluss zu wehren:
- Sie haben das Recht, den Durchsuchungsbeschluss einzusehen und dürfen auch eine Kopie davon anfertigen, beispielsweise mit dem Handy.
- Bestehen Sie darauf, dass eine Vertrauensperson als Zeuge bei der Durchsuchung anwesend ist.
- Lassen Sie sich unbedingt den Dienstausweis des leitenden Beamten zeigen und notieren Sie seinen Namen.
- Bestehen Sie auf eine vollständige Liste aller Gegenstände, die bei der Durchsuchung beschlagnahmt und mitgenommen werden.
Dem Beschuldigten steht das Rechtsmittel der Beschwerde nach §§ 304 ff. StPO gegen den Durchsuchungsbefehl zu. Dabei prüft das Gericht nicht nur die Tatsachengrundlagen des Beschlusses, sondern auch, ob die rechtlichen Vorgaben der §§ 102 ff. StPO eingehalten wurden.
Es empfiehlt sich, die Beschwerde in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ausführlich zu begründen, um mögliche Fehler bei der Durchsuchung bzw. im zugrunde liegenden Beschluss aufzuzeigen. Genau dafür benötigen Sie die oben erwähnten Informationen einschließlich Durchsuchungsbeschluss.
Übrigens: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verliert ein Durchsuchungsbeschluss spätestens nach einem halben Jahr seine Gültigkeit. Denn dann …
„… ist davon auszugehen, dass die richterliche Prüfung nicht mehr die rechtlichen Grundlagen einer beabsichtigten Durchsuchung gewährleistet und die richterliche Anordnung nicht mehr den Rahmen, die Grenzen und den Zweck der Durchsuchung im Sinne eines effektiven Grundrechtsschutzes zu sichern vermag. Ein Durchsuchungsbeschluss hat dann seine rechtfertigende Kraft verloren. Die Durchsuchungsermächtigung bedarf erneuter richterlicher Prüfung.“
[Quelle: BVerfG, Beschluss vom 27.5.1997, Az.: 2 BvR 1992/92]
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