FAQ: Femizide
Femizid bedeutet laut Definition, dass ein Mädchen oder eine Frau aufgrund ihres weiblichen Geschlechts getötet wird. Hier lesen Sie eine ausführliche Erklärung.
Eine Beziehungstat kann einen Femizid darstellen. Typische Beispiele sind Trennungstötungen, die darauf beruhen, dass der männliche Täter die Frau als Besitz betrachtet und ihre Entscheidung, die Beziehung zu beenden, nicht akzeptiert.
Nein. In Deutschland werden Femizide höchstens als Mord aus niedrigen Beweggründen eingestuft. An dieser Stelle erfahren Sie mehr.
Ein versuchter Femizid ist nach deutschem Recht als Mordversuch einzuordnen. Er ist genauso strafbar wie der vollendete Mord.
Inhaltsverzeichnis
Was ist ein Femizid – einfach erklärt?
Femizide sind laut Definition Tötungsdelikte an Frauen und Mädchen, bei denen das weibliche Geschlecht des Opfers eine entscheidende Rolle spielt.
Die meist männlichen Täter haben ein sexistisches Geschlechter- und Rollenverständnis und halten weibliche Personen für ungleichwertig.
Der Begriff geht auf die Soziologin Diana Russel zurück, die den Femizid ursprünglich als „frauenfeindliche Tötung von Frauen durch Männer“ definierte (Engl.: „misogynist killing of women by men“). [Quelle: „Femicide: The Politics of Woman Killing“]
Als Femizide gelten beispielsweise folgende Taten:
- Tötung der Frau aus einem Besitz- und Machtdenken des Mannes heraus, weil sie sich von ihm getrennt hat
- Ermordung der Ex-Partnerin (und des gemeinsamen Sohnes), weil der Täter sie als „Störfaktoren für sein Leben” betrachtete (LG Köln, Urteil vom 6.9.2022, Az.: 111 Ks 5/22)
- mit dem Tod der Frau endende häusliche Gewalt in der Partnerschaft
- jedes frauenfeindliche Töten von weiblichen Menschen
- sogenannte „Ehrenmorde“
- Ermordung von Frauen aus Eifersucht
Im Unterschied zum Femizid bezeichnet der Feminizid frauenfeindliche Verbrechen, die straflos geblieben sind. Hier steht die staatliche Verantwortung für die Taten im Vordergrund. Hierzu gehört beispielsweise die Tötung von Mädchen und Frauen in Kriegen und bewaffneten Konflikten.
Derzeit gibt es keine einheitliche Definition für einen Femizid. Die Institutionen der Vereinten Nationen (UN) verstehen darunter in der Regel nur geschlechtsbezogene Tötungen. Währenddessen definiert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Femizide als vorsätzliche Tötung von Frauen. Sie unterscheidet zwischen Femiziden innerhalb und außerhalb intimer Beziehungen sowie zwischen Ehren- und Mitgiftmorden.
Femizid als Straftatbestand
In Deutschland gibt es bislang keinen eigenen Straftatbestand für Femizide. Diese Taten werden in der Regel als Mord aus sonstigen niedrigen Beweggründen im Sinne des § 211 II StGB qualifiziert und mit lebenslanger Haft bestraft.
Nach der Rechtsprechung handelt es sich dabei um “Tatmotive, die nach rechtlich-moralischer Wertung auf tiefster Stufe stehen […] und deshalb besonders verachtenswert sind“ und zwar in einem weitreichenderen Maße als bei einem Totschlag (BGHSt 2,63; 3, 133).
Bei der Beurteilung, ob das Motiv des Täters als „niedrig“ und verachtenswert einzustufen ist, sind alle Tatumstände und Handlungsantriebe des Täters zu berücksichtigen. Auch die Lebensverhältnisse und die Persönlichkeit des Täters sind dabei mit einzubeziehen. Nur wenn die Tat überhaupt nicht nachvollziehbar ist, liegt ein niedriger Beweggrund vor.
Ein Femizid beruht regelmäßig auf Motiven wie Frauenhass, patriarchalem Besitzdenken, Kontrolldenken und Machtansprüchen. Der Täter betrachtet Frauen nicht als gleichwertige Menschen, sondern als Objekte. Er handelt aus Beweggründen, die von Hass, maßloser Eigensucht und Rücksichtslosigkeit geprägt sind und damit nach der sittlichen Wertung auf tiefster Stufe stehen.
Femizide in der Rechtsprechung – Kritik
Bisher taucht der Begriff „Femizid“ in keinem Urteil auf. Auch beurteilen die Strafgerichte Trennungstötungen nicht per se als Mord aus niedrigen Beweggründen.
Ging die Trennung vom weiblichen Tatopfer aus, so genügte dies für die Strafgerichte häufig, um niedrige Beweggründe abzulehnen. Noch im Jahr 2008 begründete der Bundesgerichtshof (BGH) diese Rechtsansicht wie folgt:
„Vielmehr können […] auch Gefühle der Verzweiflung und inneren Ausweglosigkeit [tatauslösend und tatbestimmend] sein, die eine Bewertung als “niedrig” im Sinne der Mordqualifikation namentlich dann als fraglich erscheinen lassen können, wenn […] die Trennung von dem Tatopfer ausgeht und der Angeklagte durch die Tat sich dessen beraubt, was er eigentlich nicht verlieren will.“
[Quelle: BGH, 29.10.2008, 2 StR 349/08]
Diese Rechtsauffassung verkennt die gesamtgesellschaftliche Problematik der Femizide und bestärkt männliche Besitzansprüche. Dies passt nicht zu dem im Grundgesetz verankerten Menschenbild, wonach alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht ein Grundrecht auf Gleichberechtigung, gegenseitige Achtung (Würde) und ein selbstbestimmtes Leben haben.
Dies erkennt der BGH in einem aktuelleren Beschluss an (5 StR 479/22) und erklärt darin Folgendes:
- War die von der Frau vollzogene Trennung das Tötungsmotiv, so kann das sehr wohl ein niedriger Beweggrund sein, wenn der Täter ihr „übersteigertem Besitzdenken das Lebensrecht abspricht, den berechtigten Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben bestrafen will oder dass er handelt, weil er die Trennung nicht akzeptiert und eifersüchtig ist.“ Außerdem muss bei der Bewertung der Tat (als „niedrig“) auch berücksichtigt werden, dass „nicht selten […] der Täter die Trennung selbst maßgeblich zu verantworten hat.“
- Die Tatsache, dass eine Trennung von der Frau ausging, ist eben kein automatisches Indiz gegen das Vorliegen niedriger Beweggründe.
Es ist gesellschaftlicher Konsens, dass jede Person das Recht hat, selbstbestimmt darüber zu entscheiden, ob sie eine Beziehung eingeht oder beendet. Dies entspricht auch der in der deutschen Verfassung verankerten Werteordnung. Ein Mörder, der seine (Ex-)Partnerin aus Eifersucht oder aufgrund der von ihr vollzogenen Trennung tötet, erkennt ihr Grundrecht auf ein selbstbestimmtes Leben nicht an.
Femizid: Ursachen und Gründe
Fast jeden Tag wird in Deutschland ein Femizid begangen – so die Erkenntnis aus dem ersten Lagebild des Bundesinnenministeriums aus dem 2024: Im Jahr 2023 fielen 938 Mädchen und Frauen versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten zum Opfer.
Femizide sind damit kein Einzelfall, sondern ein gesellschaftliches Problem: Denn trotz der zunehmenden Emanzipation von Frauen sind in unserer Gesellschaft noch patriarchale Strukturen verankert. Die Täter sind meistens Männer, die noch mit den klassischen Männer- und Rollenbildern sozialisiert worden sind. Sie fühlen sich in ihrer Position bedroht, wenn ihr Rollenverständnis nicht mehr funktioniert und reagieren im schlimmsten Fall mit Gewalt.
Darüber hinaus spielt das Internet eine große Rolle. Dort werden gezielt Hassbotschaften gegen Frauen gestreut – mit der Folge, dass sich die Männer gegenseitig in ihrer frauenfeindlichen Haltung bestärken. Das kann auch zu einer erhöhten Gewaltbereitschaft gegenüber Frauen führen.
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