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Wann gilt ein Täter als unzurechnungsfähig?

Von Koerperverletzung.com, letzte Aktualisierung am: 20. November 2020

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Unzurechnungsfähigkeit: Welcher Paragraph im StGB gibt die zutreffende Definition?
Unzurechnungsfähigkeit: Welcher Paragraph im StGB gibt die zutreffende Definition?

Keine Strafe ohne Schuld, so lautet einer der wichtigsten Grundsätze des deutschen Strafrechts. Wenn ein Täter als unzurechnungsfähig gilt, kann er nicht schuldhaft handeln und bleibt damit zumindest strafrechtlich unbehelligt. In der alten Fassung des Strafgesetzbuches des deutschen Reiches von 1871 behandelte Paragraph 51 die Unzurechnungsfähigkeit.

Dieser Abschnitt im Gesetzestext wurde jedoch aufgehoben und in drei andere Paragraphen aufgeteilt. Diese befassen sich nunmehr damit, wann einem Täter Schuldfähigkeit zugesprochen werden kann und wann er als unzurechnungsfähig unbestraft bleibt.

Im Folgenden wollen wir klären, wann bei einem Beschuldigten Schuldunfähigkeit anzunehmen ist und welche Grundlagen das aktuelle Strafgesetzbuch (StGB) hierfür bereithält.

Inhaltsverzeichnis

  • Ab wann ist man unzurechnungsfähig? Definition nach StGB
  • Bedeutet unzurechnungsfähig auch immer straffrei?
    • Auch ein Vollrausch kann bestraft werden!
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Ab wann ist man unzurechnungsfähig? Definition nach StGB

Kinder, die das 14. Lebensjahr noch nicht beendet haben, gelten stets als unzurechnungsfähig.
Kinder, die das 14. Lebensjahr noch nicht beendet haben, gelten stets als unzurechnungsfähig.

Das StGB unterscheidet insgesamt zwischen vier Stufen der Zurechnungs- bzw. Schuldfähigkeit:

  1. Vollständig zurechnungsfähig,
  2. vermindert schuldfähig,
  3. bedingt schuldfähig (bei Jugendlichen) und
  4. unzurechnungsfähig.

Als schuldfähig gilt ein beschuldigter Straftäter dabei immer dann, wenn er die nötige geistige und moralische Reife und Fähigkeit besitzt, das Unrecht einer Handlung zu erkennen und/oder nach dieser Erkenntnis zu handeln. Bei Jugendlichen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob die individuelle Reife eine entsprechende Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit begründet – deshalb gelten jugendliche Täter zunächst nur unter Vorbehalt als zurechnungsfähig.

Als unzurechnungsfähig können Beschuldigte immer dann gelten, wenn Sie einer der beiden folgenden im Strafrecht bestimmten Einschränkungen zuzuordnen sind:

  • Paragraph 19 StGB: Unzurechnungsfähigkeit ist bei jedem Kind anzunehmen, das das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Der Grund liegt hier in der vermuteten Unreife eines solch jungen Menschen.
  • Paragraph 20 StGB: Unzurechnungsfähigkeit ist durch psychische und seelische Störungen von starker Ausprägung, Bewusstseinstörungen und Schwachsinn anzunehmen. Hierzu können etwa auch die aufgrund von starkem Alkoholkonsum hervorgerufenen Auswirkungen zählen (Vollrausch).
Sind die seelischen Störungen in zweiterem Fall nur vorübergehend und vor allem auf den Tathergang bezogen oder war der Täter aus anderem Grund vorübergehend nicht einsichtsfähig, gilt er in der Regel nicht als unzurechnungsfähig, sondern als vermindert schuldfähig. Das kann eine Abmilderung der Strafe zur Folge haben, führt aber nicht zur Straffreiheit.

Bedeutet unzurechnungsfähig auch immer straffrei?

Ein ärztliches Gutachten entscheidet, ob ein Täter als unzurechnungsfähig gelten kann.
Ein ärztliches Gutachten entscheidet, ob ein Täter als unzurechnungsfähig gelten kann.

Nulla poena sine culpa (Keine Strafe ohne Schuld.) – dieser Grundsatz ist vermutlich auch dem Laien geläufig. Und grundsätzlich gilt tatsächlich: Wird ein Täter für unzurechnungsfähig erklärt, muss er keine Strafe fürchten. Das bezieht sich jedoch zunächst nur auf die laut Strafrecht für die begangene Tat drohenden Sanktionen wie Geld- oder Freiheitsstrafe.

Konsequenzen sind dennoch denkbar. Und diese richten sich dann meist nach dem jeweiligen Einzelfall und den der Unzurechnungsfähigkeit zugrunde liegenden Faktoren. Hat der Täter eine schwere Körperverletzung oder ein Tötungsdelikt wie Mord oder Totschlag begangen und gilt aufgrund einer schweren seelischen Störung als unzurechnungsfähig, kann die Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik angeordnet werden. Hier muss sich der Beschuldigte dann einer Therapie unterziehen.

Diese Unterbringung ist meist nicht begrenzt, sondern richtet sich nach dem jeweiligen Behandlungsverlauf. Oft gilt: Erst wenn der Betroffene keine Gefahr mehr für sich oder die Allgemeinheit darstellt, wird ein solcher Aufenthalt beendet.

Wurde ein Täter für unzurechnungsfähig erklärt, weil er sich zum Tatzeitpunkt im Vollrausch befand, können auch Entzugsmaßnahmen angeordnet werden, Antiaggressionstrainings u.v.m. Doch wesentlich wichtiger im Zusammenhang mit dem Alkoholgenuss bei Straftaten: ein neuer Paragraph im StGB kann die Straffreiheit trotz Unzurechnungsfähigkeit verhindern.

Auch ein Vollrausch kann bestraft werden!

Vollrausch als "Du kommst aus dem Gefängnis frei"-Karte? Alkohol macht nicht gleich unzurechnungsfähig.
Vollrausch als “Du kommst aus dem Gefängnis frei”-Karte? Alkohol macht nicht gleich unzurechnungsfähig.

§ 323a StGB bestimmt, dass ein Täter, der sich fahrlässig oder vorsätzlich in einen Rauschzustand versetzt und in diesem Zustand eine Straftat begeht, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe belegt werden kann. Dabei darf die verhängte Strafe auf Grundlage von § 323a Absatz 2 StGB jedoch nicht höher sein als die, die für den eigentlichen Tatbestand gedroht hätten.

Das bedeutet: Obwohl für das eigentlich begangene Delikt wie etwa eine schwere Körperverletzung Straffreiheit gewährt wird, weil der Täter unzurechnungsfähig war, kann auf Grundlage des neuen Paragraphen eine Bestrafung drohen. Dabei gilt als Richtwert eine Blutalkoholkonzentration von 3,0 Promille. Ab diesem Wert wird in der Rechtsprechung frühestens von Schuldunfähigkeit ausgegangen.

Im Übrigen: Nur etwa 0,3 Prozent aller Straftäter werden für unzurechnungsfähig erklärt.
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Kommentare

  1. Dirk S sagt

    14. Juli 2020 um 19:32

    Ich bin Psychisch Krank und in Behandlung. Nun baue ich immer wieder Misst. trinke um zu vergessen und Stimmen zu betreiben. Dan mache ich dumme Sachen und habe keine Erinnerung mehr. Nun will mich das Gericht einsperren doch ich würde gerne eine Therapie machen um mein Leidensweg erträglicher zu machen. Gibt es Hilfe?

    Antworten
  2. Hans-Jürgen sagt

    27. August 2020 um 14:33

    ich habe u.a. 12 Monate bekommen wegen Körperverletzung die wie es heißt, im untersten Bereich einer Denkbaren Körperverletzung! Und ich bin von frühster Kindheit an so traumatisiert, dass ich nicht mehr

    therapiefähig bin wie es in einem Bericht heißt!

    Antworten

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