FAQ: Einwilligung in eine Körperverletzung
Nein. § 228 StGB setzt eine bereits erteilte Einwilligung in eine Körperverletzung voraus. Diese Straftat darf nicht gegen die guten Sitten verstoßen. Sonst bleibt sie trotz Einwilligung rechtswidrig.
Die Einwilligung ist ein ungeschriebener Rechtfertigungsgrund, ist also nicht ausdrücklich geregelt. Die Voraussetzungen fassen wir hier zusammen.
Die Einwilligung lässt im Strafrecht die Rechtswidrigkeit entfallen, während das Einverständnis den Tatbestand ausschließt. Ein tatbestandsausschließendes Einverständnis kommt z. B. bei Diebstahl oder Nötigung in Betracht.
Inhaltsverzeichnis
Rechtfertigende Einwilligung im Strafrecht: Beispiele aus dem Alltag
Jeder Arzt, der uns operiert und jeder Anästhesist, der uns ein Narkosemittel verabreicht, begeht eine vorsätzliche Körperverletzung. Dasselbe gilt für den Tätowierer, der uns das gewünschte Tattoo sticht, und für den Friseur, der uns die Haare schneidet.
Trotzdem machen sich diese Menschen nicht strafbar, weil wir ihnen vorher unsere Einwilligung erteilt haben. Das heißt, ihr Handeln erfüllt zwar den Tatbestand der Körperverletzung. Allerdings lässt unsere rechtfertigende Einwilligung die Rechtswidrigkeit entfallen.
Die Einwilligung ist im Strafrecht gesetzlich nicht normiert. Es handelt sich vielmehr um einen ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund, der auf dem in Art. 2 Abs. 1 GG verankerten Selbstbestimmungsrecht beruht. Wir entscheiden frei über unsere Rechtsgüter, also über unseren Körper, unsere Gesundheit und unser Eigentum – zumindest im Rahmen der Gesetze.
Voraussetzungen für eine Einwilligung in eine Körperverletzung
Zu den gewohnheitsrechtlich entwickelten Bedingungen einer Einwilligung gehören:
- Verfügbarkeit des Rechtsguts: Eine Einwilligung ist im Strafrecht nur bei individuellen Rechtsgütern wie der körperlichen Unversehrtheit möglich. Zwar gilt ein Tattoo als Körperverletzung, aber unsere Einwilligung lässt die Rechtswidrigkeit entfallen. In Straftaten, die Rechtsgüter der Allgemeinheit verletzen, können wir nicht einwilligen. Wer sich z. B. von seinem alkoholisierten Kumpel trotz 1,2 Promille mit dem Auto nach Hause fahren lässt, kann nicht in die Trunkenheitsfahrt einwilligen. § 316 StGB schützt die Sicherheit des allgemeinen Straßenverkehrs.
- Einwilligungsfähigkeit des Rechtsgutsinhabers: Der Einwilligende muss geistig und sittlich in der Lage sein, die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs zu erfassen und angemessen zu beurteilen. Bei Volljährigen ist davon in aller Regel auszugehen, während Kinder unter 14 Jahren keine Einwilligung im Strafrecht erteilen können.
- Einwilligungserklärung: Der Inhaber des Rechtsguts, bspw. das „Opfer“ der Körperverletzung, muss vor der Tat nach außen erkennbar einwilligen und darf seine Erklärung nicht widerrufen. Dabei ist sowohl eine ausdrücklich als auch eine konkludente Einwilligung möglich.
- Keine Willensmängel: Eine auf Täuschung, Drohung oder Gewalt beruhende Einwilligung ist unwirksam – und die Straftat rechtswidrig.
- Subjektives Rechtfertigungselement: Der Täter muss die Einwilligung kennen und auf ihrer Grundlage handeln.
Rechtfertigende Einwilligung: Grenzen im StGB
Über unser Leben, unseren Körper und unsere Gesundheit entscheiden wir allein – im Rahmen der Gesetze. So ist eine Einwilligung im Strafrecht nur innerhalb der Beschränkungen des StGB möglich.
§ 228 StGB normiert eine zusätzliche Voraussetzung für die rechtfertigende Einwilligung in eine Körperverletzung: Die Tat selbst darf nicht sittenwidrig sein – oder anders ausgedrückt: Die Einwilligung in eine sittenwidrige Körperverletzung entfaltet keine rechtfertigende Wirkung.
Die ständige Rechtsprechung definiert etwas als sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt – eine wenig aussagekräftige Formulierung. Doch inzwischen haben die Gerichte konkretere Anhaltspunkte für die Sittenwidrigkeit herausgearbeitet.
- Eine vorsätzliche oder fahrlässige Körperverletzung ist nur dann sittenwidrig, wenn die Tathandlung sehr gefährlich ist und die erhebliche Gefahr schwerer Verletzungen birgt oder sogar zum Tod führen kann.
- Lebensgefährlichen medizinische Eingriffe zum Zweck der Lebensrettung sind in der Regel über eine Einwilligung gerechtfertigt.
- Massenschlägereien, bei denen sich Täter und Opfer bewusst und gewollt zur Prügelei verabreden, gelten hingegen als sittenwidrig – trotz vorheriger Einwilligung. Denn das Strafrecht verbietet die Beteiligung an Schlägereien, weil dabei regelmäßig eine große Gefahr der Eskalation besteht.
Weitere gesetzliche Grenzen gibt es bei der Einwilligung in die Tötung. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben festgelegt und klargestellt, dass der Sterbewillige dafür auch die Hilfe Dritter in Anspruch nehmen darf. Dennoch bleiben die Tötung auf Verlangen und die aktive Sterbehilfe nach wie vor strafbar.
Mutmaßliche Einwilligung – am Beispiel einfach erklärt
Ein bewusstloser Patient benötigt ein Notoperation, um zu überleben. Er kann aber gar nicht in die erforderliche OP einwilligen, sodass sein mutmaßlicher Willen ermittelt werden muss.
In derartigen Fällen – und nur bei höchstpersönlichen Rechtsgütern wie Leben und Gesundheit – wird die (nicht erteilte) Einwilligungserklärung durch eine angenommene mutmaßliche Einwilligung des Betroffenen ersetzt. Zuvor muss aber mithilfe aller verfügbaren Hinweise der mutmaßliche Wille des Betroffenen ermittelt werden.
Entspricht die Tat, z. B. die oben erwähnte Notoperation, dem hypothetischen Willen des Betroffenen, so rechtfertigt die mutmaßliche Einwilligung das Handeln der Ärzte.
Sebastian sagt
Interessant vor allem für die (Rettungs-)Medizin, da schon das legen eines venösen Zugangs, ob zum Blutabnehmen oder zur Medikamentengabe, eine Körperverletzung an sich dastellt. Leider sind viele Patienten im Notfall kaum oder gar nicht ansprechbar, daher muss hier von einer stillschweigenden Einverständniserklärung ausgegengen werden.
Carlo sagt
Nicht von einer stillschweigenden (also tatsächlich abgegebenen), sondern einer mutmaßlichen Einwilligung.
Gilbert sagt
Das halte ich für Rechtigenden Notstand, zumal der Art/Sanitäter sich in einer Garantenstellung befindet.