FAQ: Rechtfertigungsgründe im Strafrecht
Ein Rechtfertigungsgrund ist ein besonderer Umstand, der dazu führt, dass eine eigentlich strafbare Handlung ausnahmsweise erlaubt ist und somit nicht als rechtswidrig gilt, zum Beispiel bei Notwehr oder Notstand.
Rechtfertigungsgründe und Entschuldigungsgründe unterscheiden sich darin, dass ersteres die Rechtswidrigkeit einer Tat ausschließt. Ein Entschuldigungsgrund hingegeben hebt die Schuld des Täters auf, die Tat bleibt aber weiterhin rechtswidrig.
Jedermannsrechte, wie das Recht auf Notwehr oder die vorläufige Festnahme nach § 127 StPO, stehen jedem Menschen zu und können als gesetzlich geregelte Rechtfertigungsgründe bestimmte Handlungen ausnahmsweise erlauben. Hier erfahren Sie mehr dazu.
Inhaltsverzeichnis
Was sind Rechtfertigungsgründe? Eine Definition
Rechtfertigungsgründe bezeichnen im Strafrecht besondere Umstände, die dafür sorgen, dass eine eigentlich strafbare Handlung nicht als rechtswidrig gilt. Das bedeutet: Obwohl jemand objektiv gesehen eine Tat begangen hat, die unter den Tatbestand eines Strafgesetzes fällt, kann diese Handlung ausnahmsweise erlaubt sein, wenn ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.
Somit kann bei einer Tat die Rechtswidrigkeit durch verschiedene Rechtfertigungsgründe ausgeschlossen werden. Dies ist etwa der Fall, wenn jemand in Notwehr handelt, um sich oder andere gegen einen Angriff zu verteidigen. Doch welche Rechtfertigungsgründe gibt es im Strafrecht?
Diese Rechtfertigungsgründe gibt es im Strafrecht: Eine Übersicht
Rechtfertigungsgründe können sich aus Gesetzen, dem Gewohnheitsrecht oder allgemeinen Grundsätzen ergeben. Es gibt daher keinen abschließenden Katalog, da sie stets im Licht der jeweils geltenden Wertvorstellungen interpretiert werden müssen.
Der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung verlangt, dass ein bestimmtes Verhalten nicht in einem Rechtsbereich als erlaubt und in einem anderen als verboten gelten kann. Aus diesem Grund lassen sich Rechtfertigungsgründe neben dem Strafrecht auch aus der gesamten Rechtsordnung ableiten.
Gesetz | Rechtfertigungsgrund |
---|---|
§ 32 StGB | Notwehr |
§ 34 StGB | Rechtfertigender Notstans |
§ 193 StGB | Wahrnehmung berechtigter Interessen |
§ 201 StGB | Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes |
§ 127 StPO | Festnahmerecht |
§ 228 BGB | Defensivnotstand |
§ 229 BGB | Selbsthilfe |
§ 859 BGB | Besitzwehr/-kehr |
§ 904 BGB | Aggressivnotstand |
§ 16 OWiG | Rechtfertigender Notstand |
Spezifische Infos zu Rechtfertigungsgründen
Verschiedene Rechtfertigungsgründe im Detail
Das Jedermannsrecht bezeichnet Rechte, die jedem Menschen unabhängig von Beruf oder Funktion zustehen, wie z. B. das Recht auf Notwehr oder Notstand. Diese Rechte ermöglichen es jedem, in bestimmten Notsituationen aktiv einzugreifen, um sich oder andere zu schützen oder Straftaten zu verhindern. Damit sind Jedermannsrechte gesetzlich geregelte Rechtfertigungsgründe, die für alle Bürger gelten und aus der gesamten Rechtsordnung abgeleitet werden können.
Ist Notwehr (§ 32 StGB) ein Rechtfertigungsgrund?
Gemäß § 32 StGB ist Notwehr einer der Rechtfertigungsgründe im deutschen Strafrecht. Sie stellt eine Verteidigung dar, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff auf sich oder einen anderen abzuwenden. Liegt Notwehr vor, entfällt die Rechtswidrigkeit der Tat, sodass der Täter nicht strafbar ist.
Die Voraussetzungen sind:
- Notwehrlage: Ob es sich um einen Angriff im Sinne von § 32 StGB handelt, richtet sich nach der tatsächlichen Lage zum Zeitpunkt der Tat – also danach, was objektiv wirklich passiert ist, und nicht danach, was die betroffene Person subjektiv denkt oder befürchtet.
- Notwehrhandlung: Die Notwehrhandlung muss objektiv erforderlich sein. Erforderlich ist die Handlung, die den Angriff sofort und dauerhaft beenden kann.
- Verteidugungswillen: Der Täter will mit seiner Handlung absichtlich einen Angriff abwehren.
Auch wenn Sie sich grundsätzlich gegen Angriffe wehren dürfen, ist das Notwehrrecht in bestimmten Fällen eingeschränkt. Solche Ausnahmen gelten zum Beispiel, wenn der Schaden durch die Verteidigung viel größer wäre als der Angriff oder bei sehr harmlosen Angriffen. Auch eine bewusste Provokation gilt nicht als Rechtfertigungsgrund nach dem StGB.
Wer aus Angst um sich oder einen nahestehenden Menschen bei besonderer Gefahr (z. B. Lebensgefahr) eine Straftat begeht, ist nicht schuldig, sondern nur entschuldigt. Die Tat bleibt rechtswidrig und verboten. Der Täter wird aber nicht bestraft, weil ihm nach den Umständen die Einhaltung des Gesetzes nicht zugemutet werden kann.
§ 34 StGB: Notstand
Rechtfertigungsgründe sind im Strafrecht besondere Umstände, die dafür sorgen, dass eine Tat trotzdem nicht verboten ist. Ein Beispiel dafür ist auch der Notstand nach § 34 StGB: Wenn jemand in einer akuten Gefahr ist und diese Gefahr anders nicht abgewendet werden kann, darf er zum Schutz eines wichtigen Rechtsguts ein anderes, weniger wichtiges Rechtsgut verletzen – solange das geschützte Gut deutlich wertvoller ist.
§ 193 StGB: Wahrnehmung berechtigter Interessen
§ 193 StGB ist ein Rechtfertigungsgrund, der jedoch nur bei Beleidigung (§ 186 StGB) und übler Nachrede (§ 186 StGB) angewendet wird. Es ist keine Rechtfertigung nach § 193 möglich, wenn es sich um eine Verleumdung handelt – also wenn der Täter weiß, dass die behauptete Tatsache falsch ist.
Im Kern geht es bei § 193 um eine Abwägung zwischen verschiedenen Interessen, wenn diese in Konflikt stehen. Die Handlung ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie im Hinblick auf die betroffenen Grundrechte ein angemessenes Mittel zur Verfolgung eines berechtigten Ziels darstellt.
§ 201 StGB: Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes
Gerechtfertigt ist eine strafbare Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes nach § 201 StGB, wenn Rechtfertigungsgründe im Strafrecht wie Notwehr (§ 32 StGB), rechtfertigender Notstand (§ 34 StGB), oder ein überragendes öffentliches Interesse vorliegen.
§ 127 I StPO: Festnahmerecht
Wenn es um Rechtfertigungsgründe außerhalb des Strafrecht geht, ist § 127 StPO relevant. Der Paragraph erlaubt lediglich die vorläufige Festnahme – also das Festhalten einer Person und deren Überstellung zur Polizei.
Dadurch sind auch die Freiheitsberaubung und Nötigung gerechtfertigt, die mit dieser Maßnahme verbunden sind. Dies umfasst auch eine angemessene körperliche Einwirkung, etwa ein festes Anfassen, oder wenn nötig das Anlegen von Fessel.
In dem Fall, dass ein aktiver Widerstand überwunden werden muss und es dabei zu einer Körperverletzung oder Nötigung kommt, reicht § 127 StPO nicht als Rechtfertigungsgrund aus. In solchen Fällen kann eine Rechtfertigung nur über Notwehr (§ 32 StGB) erfolgen.
Rechtfertigungsgründe bei konkreten Straftatbeständen
Diebstahl
Rechtfertigungsgründe für Diebstahl können unter anderem bei Notwehr oder Notstand vorliegen.
Beispiel: Jemand nimmt im Notfall einem Angreifer das Messer weg, um sich zu verteidigen – das ist unter Umständen kein Diebstahl, sondern Notwehr.
Körperverletzung
Rechtfertigungsgründe bei der Körperverletzung liegen vor, wenn das Verhalten trotz Erfüllung des Tatbestands nicht rechtswidrig ist, etwa weil Notwehr, rechtfertigender Notstand, oder eine wirksame Einwilligung des Verletzten vorliegt.
Beispiel: Jemand schlägt einen Angreifer, um einen Überfall zu verhindern.
Hausfriedensbruch
Für Hausfriedensbruch können Rechtfertigungsgründe nach dem Strafrecht unter anderem bei Notwehr oder Notstand vorliegen.
Beispiel: Ein Nachbar betritt eine Wohnung, um einen Einbruch oder eine Misshandlung zu verhindern.
Einwilligung als Rechtfertigungsgrund
Ein wichtiger Rechtfertigungsgrund ist die Einwilligung: In diesem Fall willigt das „Opfer“ in eine Rechtsgutsverletzung ein, wodurch dadurch das Handeln nicht mehr rechtswidrig ist.
Voraussetzungen sind, dass die einwilligende Person volljährig, einsichtsfähig und frei von Zwang ist. Außerdem muss die Einwilligung vor der Tat erfolgen und sich auf einen rechtlich erlaubten Zweck beziehen.
Grenzen: Nicht in jede Handlung kann wirksam eingewilligt werden. Beispielsweise ist die Einwilligung in eine schwere Körperverletzung nach § 228 StGB nur in engen Grenzen möglich. Auch bei Tötungen ist eine Einwilligung grundsätzlich unwirksam. In diesem Fall können jedoch Rechtfertigungsgründe im Strafrecht zutreffen, wie z. B. Notwehr
Wann liegt ein Irrtum über einen Rechtfertigungsgrund vor?
Ein Irrtum über Rechtfertigungsgrund im Strafrecht liegt vor, wenn jemand fälschlicherweise glaubt, dass eine Handlung erlaubt ist, obwohl in Wirklichkeit kein Rechtfertigungsgrund besteht.
Zum Beispiel könnte eine Person annehmen, sie handle in Notwehr, obwohl tatsächlich kein Angriff vorliegt. In solchen Fällen wird geprüft, ob der Irrtum vermeidbar war und wie er sich auf die Rechtswidrigkeit der Tat auswirkt.
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