FAQ: Körperverletzung durch Ansteckung
Das HPV-Virus ist in Deutschland nicht meldepflichtig. Dennoch kann gemäß § 223 Strafgesetzbuch (StGB) eine Schädigung der Gesundheit strafrechtlich verfolgt werden. Weiteres erfahren Sie hier.
Wer das Risiko eingeht, Menschen mit einer anzeige- oder meldepflichtigen Krankheit anzustecken, begeht ggf. eine gefährliche Körperverletzung und kann gemäß § 223 StGB mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe belangt werden.
Während der Corona-Pandemie konnte das absichtliche Anhusten strafrechtlich verfolgt werden. Seit dem 1. Juli 2023 ist Corona nicht mehr meldepflichtig, was die Strafbarkeit unter Umständen erschwert. Mehr dazu lesen Sie hier.
Inhaltsverzeichnis
Kann eine Körperverletzung durch Ansteckung vorliegen?
Wer einen Menschen mit einer Krankheit ansteckt, egal ob dies bewusst geschieht oder aus Fahrlässigkeit, riskiert dessen Gesundheit. Entsprechend häufig kommt die Frage auf, ob eine Körperverletzung bereits durch eine Ansteckung vorliegt und ggf. angezeigt werden kann.
Von Bedeutung ist hierbei § 223 Strafgesetzbuch (StGB). Dort wird festgelegt, dass die Gefährdung der Gesundheit strafrechtlich verfolgt werden kann. Auch der Versuch kann bereits als strafbar gelten. Wortwörtlich heißt es hier:
(1) Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
Wer also wissentlich oder auch fahrlässig handelt, indem er Menschen mit einer Krankheit ansteckt und dadurch deren Gesundheit schädigt oder riskiert, sie zu schädigen, begeht eine Körperverletzung durch Ansteckung. Dafür kann er demnach strafrechtlich belangt werden.
Ursprünglich wurde durch § 178 StGB festgelegt, dass nur die Ansteckung durch anzeige- und meldepflichtige Krankheiten strafrechtlich belangt werden konnten. Dieser Paragraf behandelt mittlerweile sexuellen Übergriff. Die Gefährdung von Gesundheit ist durch die aktuelle Regelung in § 223 StGB deutlich breiter gefächert.
Nach der ursprünglichen Auslegung könnte zum Beispiel eine HPV-Ansteckung nicht strafbar sein, weil das HPV-Virus bis heute in Deutschland nicht meldepflichtig ist. Auch eine HIV-Ansteckung wäre nicht strafbar, weil sie nicht meldepflichtig ist.
Anders ist es allerdings nach der aktuellen Rechtslage. So kann eine wissentliche Ansteckung mit HIV als gefährliche Körperverletzung ausgelegt werden. Auch wenn die Übertragung nicht nachweisbar ist, kann gemäß § 223 Abs. 2 StGB alleine der Versuch der Ansteckung mit HIV als strafbar gewertet werden.
Sonderfall Corona: Anhusten als Körperverletzung
Teilweise gilt sogar das reine Anhusten als (versuchte) Körperverletzung durch Ansteckung. Dies war insbesondere während der Corona-Pandemie zwischen 2020 und 2023 der Fall.
Seit dem 1. Juli 2023 ist das Virus nicht mehr meldepflichtig und wird auch durch die erfolgten Impfungen nicht mehr mit derselben Priorität behandelt. Entsprechend könnte eine Corona-Ansteckung als strafbar einzustufen trotz § 223 StGB unter Umständen komplizierter werden.
Grundsätzlich jedoch kann das bewusste Anhusten sogar eine gefährliche Körperverletzung durch Ansteckung darstellen. Denn das Virus SARS-CoV-2 zählt gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu den gesundheitsschädlichen Stoffen. In diesem Fall kann das Strafmaß zwischen 6 Monaten und 10 Jahren Freiheitsstrafe liegen.
Auch hier ist alleine der Versuch bereits strafbar. Das heißt, dass auch bei Ausbleiben der Erkrankung der Tatbestand der versuchten gefährlichen Körperverletzung vorliegt. Will jemand jemanden absichtlich mit Corona zu infizieren, droht eine Strafe – unabhängig von einer Ansteckung oder nicht.
In diesem Fall kann es allerdings schwierig werden, die Tat nachzuweisen. Zum einen muss die Vorsätzlichkeit des Täters nachgewiesen werden können. Zum anderen muss der Betroffene nachweisen, dass seine Erkrankung aus dem Anhusten heraus entstanden ist. Kann dies nicht bewiesen werden, der Vorsatz aber wurde nachgewiesen, handelt es sich um versuchte gefährliche Körperverletzung durch Ansteckung.
Ebenso ist es strafbar, jemanden anzuhusten oder anzuniesen, ohne dabei vorsätzlich zu handeln. Kommt es aus diesem Grund zu einer Corona-Ansteckung, liegt eine fahrlässige Körperverletzung vor.
Urteile zu Körperverletzungen durch Infektionskrankheiten
Damit Sie einen besseren Überblick über die Strafbarkeit von Ansteckungen erhalten, haben wir einige Urteile gesammelt und für Sie kurz zusammengefasst.
Die folgenden Urteile sollen Ihnen zeigen, dass auch durch eine bloße Ansteckung eine Körperverletzung vorliegen kann. Insbesondere bei vorsätzlicher Handlung, aber auch bei Fahrlässigkeit, können daraus empfindliche Strafmaße entstehen.
Vor allem Fälle mit STI-Körperverletzung werden häufiger vor Gericht diskutiert. Bei STI-Fällen handelt es sich um sexuell übertragbare Krankheiten wie Aids oder HPV.
Eine vorsätzliche Handlung hierbei kann das sogenannte „Stealthing“ sein. Dies beschreibt den Vorgang von Männern, während des Geschlechtsverkehrs heimlich und ohne Einverständnis des Sexualpartners das Kondom abzustreifen oder es von vorneherein nicht zu verwenden. Bei zuvor ausdrücklich geäußertem Wunsch des Partners auf geschützten Geschlechtsverkehr gilt dies als Straftat. Mehr zu diesem Thema verrät Ihnen unser Ratgeber über Stealthing.
Folgende Urteile geben Ihnen Beispiele über das Strafmaß bei einer Körperverletzung durch Ansteckung:
Fallbeschreibung | Urteil |
---|---|
Der Angeklagte wusste seit 1998 über seine HIV-Erkrankung Bescheid. Der Angeklagte wurde für voll schuldfähig erklärt. Insgesamt machte sich der Angeklagte in vier Fällen der vollendeten gefährlichen Körperverletzung durch Ansteckung und in zehn Fällen der versuchten Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB schuldig. | Schuldig der Körperverletzung durch Ansteckung. Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren. Schmerzensgeld von 20.000 Euro. LG Köln Az.: 71 Js 133/06 Urteil vom 22.6.2007 |
Der Angeklagte wusste seit Anfang August 2005 über seine HIV-Erkrankung Bescheid. Der Angeklagte informierte seinen neuen Partner, den er kurz danach kennenlernte, nicht über seine Erkrankung. Der Geschädigte nahm an, dass keine HIV-Erkrankung vorläge, der Angeklagte ließ ihn in dem Glauben. Es kam mehrmals zu ungeschütztem Geschlechtsverkehr. | Schuldig der Körperverletzung durch Ansteckung Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. AG Celle Az.: 18 Ls 8102 Js 2850/06 Urteil vom 14.1.2008 |
Bestätigung des Urteils vom Landgericht Augsburg. Angeklagter war ein ehemaliger Oberarzt, der mit dem Hepatitis C-Virus infiziert war. Der Angeklagte nahm Schmerzmittel-Dosen, die für Patienten bestimmt waren, für sich. Übertragung der Krankheit durch intravenösen Konsum sowohl durch den Arzt als auch durch die Patienten. Insgesamt 51 Fälle. | Schuldig der gefährlichen Körperverletzung durch Ansteckung und der Unterschlagung. Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. BGH Az.: 1 StR 409/23 Urteil vom 14.12.2023 |
Fall von "Stealthing". Der Angeklagte wusste seit 2002 von seiner HIV-Erkrankung. Während des Geschlechtsverkehrs zog er bewusst das Kondom ab mit der Intention, seinen Partner mit Aids zu infizieren. Der Geschädigte hatte das Abstreifen des Kondoms mitbekommen, wusste aber nicht von der HIV-Erkrankung des Angeklagten. Beide waren zudem zum Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs stark alkoholisiert. Im Chat mit einer dritten Person hatte er seine HIV-Erkrankung zugegeben. Der Angeklagte war auf der Suche nach einem Beziehungspartner und wollte dies durch eine gezielte Infektion erreichen. | Schuldig der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit einer versuchten schweren Körperverletzung gemäß §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 5, 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten. AG Konstanz Az.: 7 Ls 22 Js 5885/2006 Urteil vom 30.1.2007 |
Hinterlassen Sie einen Kommentar: